von Dr. Sybille Kuske
Traditionell hatte das Osterfeuer für die ländliche Gemeinschaft eine wichtige Funktion. Es bildete den Abschluss der Aufräumarbeiten in den Gärten, diente als Umschlagplatz für alte und neue Geschichten und grenzte das Frühjahr zum Winter hin ab.
Alles begann mit dem Baumschnitt in den Gärten. Danach wurden Obststräucher und Hecken ausgelichtet und in Form gebracht. Dabei entstand jede Menge Schnittgut, das aufgrund des hohen Feuchtegehalts nur schwer brennen und wenn, dann auch viel Rauch entwickeln würde. Bei einem Feuer im eigenen Garten bestand zudem die Gefahr, dass die Knospen durch Hitze geschädigt werden würden. Und so hatte es sich eingebürgert, dass die Dorfbewohner ihr Schnittgut mit dem Traktor, Pferdewagen oder einfach mit der Gummikarre in die Grandkuhlen brachten.
Grandkuhlen – große Kuhlen
Grandkuhlen, oder auch „Große Kuhlen“, sind Senken im Gelände, die außerhalb von Ortschaften durch den Abbau von Lehm entstanden sind. In manchen Grandkuhlen stehen heute noch die Überreste der Ziegeleien. Diese Senken sind perfekt für große Feuer! Kein Funkenflug kann jemals die Häuser erreichen, und der Rauch steigt nahezu senkrecht auf. Und also wurden einst Äste und Stämme in den Grandkuhlen zu hohen Haufen aufgetürmt. So manch’ alter Balken gab Stabilität, und ausgediente Zaunlatten sorgten für einen besseren Abbrand des künftigen Osterfeuers.
Spätestens am Karfreitag waren die Gärten schön. Die Bäume hatten ihren Sommerschnitt, das Laub lag auf dem Komposthaufen und die Osterglocken freuten sich darauf, Kulisse für ein Osternest zu sein.
Am Abend des Karfreitags, wenn nichts mehr zu tun war und der Nebel sich senkte, dann kamen die Dorfbewohner in den Grandkuhlen zusammen. Sie trugen ihr Arbeitsgewand und hatten Würstchen, Brot und Bier dabei. Jemand zündete das Osterfeuer an.
Sobald die erste Feuersbrunst vorbei war und der Rauch sich verzogen hatte, wurden Kartoffeln in der Glut vergraben. Kinder suchten nach Zweigen, mit denen sie die Würstchen ins Feuer halten konnten. Doch nicht jeder Versuch war mit Erfolg gesegnet. So manches Würstchen ist verbrannt, und mancher Zweig hat Feuer gefangen.
Über das Feuer springen
Je kleiner das Feuer wurde, umso näher rückten die Menschen zusammen. Klatsch und Tratsch hatten Hochsaison. Bald schon gingen die Ersten heim. Die, die blieben, würden spät in der Nacht über das Feuer springen und sich im nächsten Jahr an die schönsten Augenblicke erinnern.
Osterfeuer waren wichtig für Mensch und Umwelt. Sie reinigten die Flur und wärmten die Seelen; an ihnen wurden Geschichten weitergegeben und Brauchtum gepflegt. Sie waren ein wichtiger Baustein im Leben der Dorfgemeinschaft. Ich bin froh, dass ich das erleben durfte.
Wir freuen uns auch weiterhin über Rituale und Bräuche. Welche kennt ihr zur Osterzeit? Schreibt eine E-Mail und lasst uns teilhaben.