Kleiner Elbsprung
Ein kleiner Zeitsprung in die Zukunft. Nein, ein Elbsprung. Denn gestern bin ich meiner Elb-Wanderung vorausgereist und heute früh im Hotel in Dresden aufgewacht. Thomas montiert in Dresden einen Roboterarm und ich habe die Chance wahrgenommen, mir die Stadt anzuschauen, die nicht umsonst Elbflorenz genannt wird. Ich lasse mich in Elbnähe absetzen, schlendere ein wenig an der Elbe entlang und spaziere dann ganz gemütlich vom Neustädter Markt die Hauptstraße entlang zum Erich Kästner Haus für Literatur.
Warten im Garten
Ich bin zu früh, das Museum öffnet erst um 10 Uhr und ich nutze das halbe Stündchen, das noch bleibt, zum ganz entspannten … Warten! Auf einer Bank stricke und sinniere ich im Museumsgarten, der einst einem Onkel von Erich Kästner gehörte und wo sicher schon der junge Erich spielte und vielleicht auch wie die kleine Bronzefigur auf der Mauer saß und die Menschen auf dem großen Platz beobachten konnte. Denn wer so schreiben kann wie Erich Kästner, der muss viel Zeit damit verbracht haben, den Menschen zuzuschauen und zuzuhören.
13 Säulen und bunte Schubladen
Aber jetzt darf ich erst einmal zuhören. Denn kaum will ich das Museum betreten, lädt mich eine charmante Dame ein, ihrer Einführung zu lauschen. Mit zwei anderen Damen erfahre ich von ihr viele Details aus dem Leben und Schaffen des Autors – Literaturtipps inklusive. Sehr hübsch ihre Bemerkung zu Kästners Briefen an seine Mutter, in denen er auch über seine Beziehungen zu Frauen berichtet: Solche Details wolle sie – in Briefen an Dritte – lieber nicht über sich lesen. Leider habe ich die Dame, die sich hier ehrenamtlich engagiert, nicht nach ihrem Namen gefragt. Aber sie gibt uns einen Überblick über die Struktur der Ausstellung, die sich zu einem großen Teil in 13 Säulen in bunten Schubladen verbirgt. Hinter den Farben verbergen sich bestimmte Lebensthemen Kästners – wie etwa seine Kindheit oder Bezüge zu Dresden. Er war der Stadt sehr verbunden.
Interaktiv und mobil
Es ist eine interaktive Ausstellung, weil sie sich den Besucherinnen und Besuchern erst eröffnet, wenn sie die Schubladen öffnen und Dokumente herausnehmen. Mobil ist die Ausstellung obendrein, denn die Exponate sind transportabel. Jetzt bewege aber erst einmal ich mich von Säule zu Säule und stöbere eine Weile im Leben des Schöpfers wunderbarer Kinderbücher, der aber auch für erwachsene Leserinnen und Leser herrlich pointiert schrieb. Übrigens wurde Kästner, dessen Bücher im dritten Reich verbrannt wurden, von Goebbels beauftragt, das Drehbuch für den Film Münchhausen zu schreiben. Das tat der politisch verfemte Autor unter einem Pseudonym. Als Hitler erfuhr, wer der tatsächliche Autor war, gab es für Kästner bis zum Kriegsende keine weiteren Gelegenheiten zur Publikation.
Augustusbrücke
Mit Blick auf den Goldenen Reiter spaziere ich die Hauptstraße in Richtung Elbe und genieße die Ruhe auf der breiten, autofreien Allee. Über die Augustusbrücke gelange ich in die Altstadt, zur Semperoper, am Fürstenzug entlang. Auf dem Schlossplatz singt ein Pärchen ein herrliches Ave Maria, ein bisschen weiter erstehe ich den obligatorischen Magneten für den Kühlschrank und schon bin ich an der Frauenkirche, suche Eingang D und stelle auch schon fest, dass ich erst um 13 Uhr hinein darf. Also genieße ich eine Pause bei einem exzellenten Kaffee im Amate und schreibe diesen Text. Bis hier. Denn jetzt ist es fast 13 Uhr, ich fahre den Rechner runter und hoffe, dass es jetzt klappt mit meinem Besuch in der Frauenkirche.
Frauenkirche
Die Menschenschlange vor der Frauenkirche war zwar beeindruckend, aber nach zehn Minuten waren alle in der Kirche. Sie ist zweifelsohne wunderschön, doch schöne Kirchen gibt es viele. Hier kommt einfach die dramatische Geschichte des Gotteshauses hinzu, die ihrer Zerstörung und die ihres Wiederaufbaus. Sie ist ja nicht nur ein Spiegel der deutschen Geschichte, sondern hat auch die Geschichte vieler Menschen geprägt und zudem medial viele Emotionen geweckt. Ich freue mich, dass es so gut geklappt hat und dass ich draußen wieder von herrlichem Sonnenschein empfangen werde. Die Regenjacke tausche ich gegen die Sonnenbrille. Jetzt gibt es eine Bowl, denn ich habe so richtig Hunger!