Von Hilpoltstein nach Titting
Weil mir gerade die Zeit für die nächste Etappe meiner Elbwanderung fehlt, habe ich mich entschieden, zwei Tage den Jakobsweg weiterzugehen. Ich bin ja immerhin schon bis Hilpoltstein gekommen und von dort soll es jetzt nach Eichstätt gehen. Damit hätte ich dann die Route Nürnberg-Eichstätt geschafft. Heute wandere ich die dritte Etappe von Hilpoltstein nach Titting, wo ich übernachte. In Hilpoltstein bin ich gegen zwanzig nach zehn angekommen. Um 9.39 Uhr fuhr der Zug in Nürnberg ab und es hat alles planmäßig geklappt. Man muss ja auch mal sagen, wenn was funktioniert bei der Bahn. Besonders ich, weil ich ja gern mal auf der Strecke stehe.
Vorzügliches Wanderwetter
Das Wetter ist vortrefflich zum Wandern. Ab und an ein kleiner Luftzug, aber das schätze ich ja sehr und ansonsten kommt immer mal die Sonne durch, man sieht blauen Himmel, auch ein paar Wölkchen. Jetzt ist es gerade ein bisschen bedeckt, eine optimale Mischung, um die Zeit draußen zu verbringen und sich dabei zu bewegen. Ganz klasse! Also an alle Zweifler, die nicht glauben, dass ich immer tolles Wanderwetter habe: Es hat wieder geklappt! Ich bin sehr zufrieden damit.
Vom Wege abkommen?
Mit der Strecke war ich jetzt ein bisschen flexibel. Ich stell mir daher gerade die Frage: Ist es schlimm, wenn man auf Pilgerwegen vom Wege abkommt? Mir passiert das leider öfter und ich hatte mindestens fünf unterschiedliche Routen zur Auswahl, vermutlich habe ich mich zielgerichtet für die einzige entschieden, die viel an der Straße entlang führt. Ich hätte weiter westlich gehen sollen. Aber egal, am Ende führen alle Wege nach Thalmässing und von da aus geht es dann weiter nach Titting. An den Straßenrändern ist allerdings dermaßen viel Müll, dass ich echt mal sagen muss, Leute schämt euch! Zumindest die Leute, die das Zeug da hinschmeißen. Von der Chipstüte bis zum Sessel. Es ist ekelerregend! Wirklich widerlich und es weiß heutzutage jeder, wie schädlich das für die Umwelt ist. Das muss nicht sein! Und wer bitte fährt seinen Sessel mit dem Auto aufs Land, um ihn dann an den Straßenrand zu stellen. Also das ist doch absurd! Dann kann ich ihn doch auch gleich zum Wertstoffhof bringen. Ich fahre ihn ja sowieso schon durch die Gegend. Ich verstehe es einfach nicht!
Rechts und links Narzissen
Jetzt bin ich weg von der Straße, weil ich euch ein Video schicken wollte ohne Autos im Hintergrund. Man hört sie zwar noch ein bisschen, weil ich doch noch nicht so weit weg bin von der Straße, aber das macht nichts, man sieht sie nicht und das ist schon mal schön. Ich hab eine nette Bank entdeckt, mit der ich gar nicht gerechnet hätte. Links und rechts kämpfen sich Narzissen schon ziemlich erfolgreich durch das Laub, man sieht schon ein ganz zart das Gelb der Knospen schimmern. Na ja man kann es erahnen, um ehrlich zu sein. Vielleicht ist es hier ein bisschen zu windig und noch zu früh im Jahr. Die Tage empfinde ich noch als verhältnismäßig kalt. Insofern seien wir nachsichtig mit den Narzissen, sie werden kommen und ich kann mir vorstellen, wie schön das dann aussieht bei dieser Bank, wenn links und rechts die Narzissen blühen. In Kürze geht es weiter, ich glaube, ich kann den Weg schon sehen. Das ist eine kleine Landstraße, schätze ich aus der Ferne, die bestanden ist von Obstbäumen. Ich werde es heute vermutlich nicht sicher herausfinden, denn noch blüht und grünt ja nichts. Und Früchte hängen natürlich schon gar nicht daran. Doch es sieht schon aus der Ferne sehr hübsch aus.
Brotzeit
Ich habe auf dieser netten Bank meine Brotzeit ausgepackt. Ich habe selbst gebackenes Brot dabei, wie sollte es anders sein. Und diesmal habe ich, weil ich ja so früh los musste, mir gar keine Brote geschmiert, sondern, wie bei der letzten Wanderung auch, einfach meine Gemüseaufstriche in den Gläsern eingepackt. Besteck dazu, ein Brettchen – und nun schmiere ich mir hier schnell mein Brot. Dazu noch ein bisschen Ziegenfrischkäse, nicht selbst gemacht, der Gemüseaufstrich aber sehr wohl, genau wie der Linsenaufstrich. Ich liebe das! Jetzt gibt es gleich noch einen Apfel für mich und ich überlege mir, ob ich noch einen Schluck Kaffee trinke, das hängt ja immer ein bisschen von den sanitären Angeboten auf der Strecke ab und das wird jetzt wohl nicht so prickelnd sein. Also denke ich über den Kaffee nochmal nach.
Ein nettes kleines Cafe in Hilpoltstein
Auf dem Weg raus aus Hilpoltstein gab es für mich noch einen feinen Capuccino in einer netten Bäckerei mit einem schönen Cafe und blitzsauberen Sanitäranlagen. Vielen Dank nochmal für die Gastfreundschaft. Leider habe ich den Namen vergessen, ich würde es euch echt ans Herz legen, es ist nicht weit vom Bahnhof entfernt. So und jetzt geht es weiter!
Altes bewahren und gelbe Kanarienvögel
Gerade komme ich aus Eysölden. Eysölden hat mich ganz merkwürdig angerührt. Erstmal komme ich rein und sehe endlich mal wieder meine Muschel. Ich bin wieder auf dem richtigen Weg. Wunderbar, am Ende führt jeder Weg nach Thalmässing und schließlich nach Titting. Eysölden ist ganz eigenartig. Im Ortskern sind ganz viele marode Bauten, bei denen nicht erkennbar ist, ob sie saniert werden oder verfallen. In manchen regt sich noch Leben, in manchen scheint alles ganz mucksmäuschenstill zu sein. Sehr anrührend ist ein Haus gegenüber der Bushaltestelle im Ortskern. Die Fenster sind mit einem Drahtgitter verschlossen, aber offen und dahinter fliegen und flattern ganz viele gelbe Vögelchen. Das müssten Kanarienvögel sein. Es wirkt sehr eigentümlich. Der Blick fällt auf weitere marode Bauten, das Konzept „Verfall“ scheint sich durch den gesamten Ortskern zu ziehen. Aber trotz allem ist das Ganze keineswegs ungepflegt, das kann man wirklich nicht sagen. Es ist als ob jemand etwas Altes bewahrt, dabei aber nur ganz vorsichtig dran rührt und vielleicht an der ein oder anderen Stelle den Verfall aufzuhalten versucht, es aber nicht wirklich schafft.
Eine für mich besondere Kirche
In Eysölden war ich auch in der Kirche. Eine hübsche Kirche mit einer angenehmen Atmosphäre und wieder ein besonderer Platz für mich. Denn ich habe es immer noch nicht geschafft, mir einen Pilgerausweis zu besorgen – das sollte ich tun, bevor ich in Portugal bin. Ich fand es jetzt auch nicht so wichtig, ich muss nicht alles dokumentieren. Dann kam ich in diese Kirche. Dort lag dieser Stempel und da war ein Stempelkissen. Ich habe einfach einen Gemeindebrief genommen und meinen ersten Jakobswegstempel da drauf gestempelt. Den trage ich nun in meinem Rucksack und werde ihn daheim aufbewahren, bis ich am Ziel angelangt bin. Das ist mein persönlicher Start des Projekts Pilgerausweis. Dann bin ich weiter, raus aus dem Ort, habe mich noch einmal umgedreht und gedacht, ich komme bestimmt nochmal hierhin. Irgendwie finde ich diesen Ort ganz bezaubernd und faszinierend. Aber jetzt geht es weiter. Ich vermute der nächste Ort heißt Stauf. Ich sehe ihn schon von Weitem. In Stauf habe ich dann von Hilpoltstein aus schon über acht Kilometer geschafft.
Noch ein kleines Päuschen
Kurz nach Eysölden mache ich übrigens noch einmal Pause bei einem knorrigen Altholzstamm. Wunderschön! Rechts und links von mir sind Streuobstwiesen mit altem Obstbaumbestand und jeweils im Hintergrund grasen Schafe. Das Grün beginnt zaghaft, durch das Laub hindurch zu sprießen und kündigt den nahen Frühling an. Eine schöne Landschaft.
Alle Wege führen nach Thalmässing
In Stauf habe ich dann ein lauschiges Plätzchen vor einem alten Haus gefunden. Ich hatte den Eindruck, dass es renoviert wird, war mir aber nicht ganz sicher. Im Hof am Bürgersteig stand ein Baum und da drunter war eine Sitzgruppe. Dort habe ich ein Päuschen gemacht. Das habe ich genutzt, um mit Claudia, die derweil das Texthaus hütet und arbeitet, einen Kunden mit ganz wichtigen Dateien zu versorgen. Ja und als das geschehen war, bin ich weiter gegangen durch noch einen oder zwei andere Orte und war schließlich in Thalmässing. Ja, tatsächlich. Alle Wege führen nach Thalmässing, aber dann auch wieder heraus aus Thalmässing. Ich habe einen Kaffee getrunken in einer Eisdiele und hab dann aber zugesehen, dass ich schnell weiter komme. Und dann wurde es extrem interessant. Es ging bergauf.
Atmen und Schritte zählen
Ich wusste, dass da diese Steigung kommt und vor zwei, drei Jahren hätte ich diesen Weg deswegen gemieden. Die sieht im Höhenprofil der Wanderung wirklich beeindruckend aus, für mich zumindest. Na ja, aber ich habe es geschafft, ich habe immer an Petra gedacht, weil sie hatte mir das Atmen nahe gebracht, wenn es bergauf geht. Ich habe immer noch ihre Stimme im Ohr und zähle beim Atmen. Das hat wunderbar geklappt. Ich habe dann auch die Schritte gezählt, habe mir immer gesagt, zwanzig Schritte, wenn du zwanzig Schritte schaffst, nochmal zwanzig Schritte, nochmal zwanzig Schritte, das sind schon sechzig Schritte. Dann eine Pause. Und je höher ich kam, habe ich ein paar weniger Schritte gemacht, zwei Mal zwanzig Schritte und wenn man dann schon das Ende des Hangs sieht, macht man nochmal zwei, drei Mal zwanzig Schritte, ein bisschen mehr Schritte und dann ist man auf der halben Anhöhe und merkt, oh mein Gott, da kommt nochmal so eine Steigung. Aber egal, ich war oben und das Beste war, ich war oben und ich konnte noch atmen und sprechen! Und beides nahezu ohne Probleme! Es war großartig. Ich meine, das war natürlich anstrengend, aber ich bin sehr begeistert, dass ich es so gut geschafft habe. Es erinnert mich immer an Bayerisch Zell, wenn ich irgendeine Anhöhe herauf gehe. Denn dort hatte ich echt Probleme, zu unserer Hütte raufzukommen – und diese Probleme hab ich einfach nicht mehr. Das ist ganz ganz toll. Ich kann euch wirklich nur empfehlen, falls ihr ein paar überzählige Kilos habt, weg damit und losgehen und wandern oder etwas anderes machen, was euch trainiert. Das ist total schön.
Angekommen in Titting
Als ich dort oben war, erschloss sich mir eine Hochebene. In der Nähe gibt es wohl auch einen Abflugplatz für Segelflieger. Als Nächstes kam ein kleiner Ort namens Waizenhofen, dann ging es über Felder, zwischen Windkraftanlagen hindurch bis nach Titting, wo ich jetzt im Gasthof Zum Hirschen freundliche Aufnahme fand und mir einen ganzen Liter alkoholfreies Radler gönnte. Ich bin gut angekommen. Von Hilpoltstein aus waren es 22,44 Kilometer. Hier in Titting war die kleine Kirche, an der ich vorbeikam, leider geschlossen. Ich hätte sie mir gerne noch angesehen. So und jetzt mache ich Pause und morgen früh geht es dann weiter.
Die 1. Etappe und 2. Etappe des Jakobwegs von Nürnberg nach Eichstätt gibt es noch zum Nachlesen. Über eure Begleitung in den Kommentaren oder auch per E-Mail freue ich mich wie immer sehr! Und vielleicht erkundet auch ihr Hilpoltstein mit seiner schönen Burg?