Tag 3 der Elbwanderung
Heute geht es nach Glückstadt. Was für ein großartiger Morgen! Als ich losging, war das Gras an der Straße noch reifbedeckt und jetzt wechselt der Reif mehr und mehr in Tau. Aber im Schatten sind die Grashalme noch weiß überzogen. Ich habe mich heute entschieden, nicht direkt dem Radweg zu folgen, sondern eine Parallellinie zu nehmen, da der Radweg sehr einsam ist. Dort habe ich bestimmt keine Chance auf irgendeine Toilette, ein Brötchen oder auf Kaffee. Die Strecke ist eben mehr auf die schnelleren Radfahrerinnen und Radfahrer zugeschnitten. Ich brauche ein bisschen mehr Zeit, um von A nach B zu kommen, und geh deswegen lieber von Dorf zu Dorf. Hoppla, da kam jetzt ein riesiger Trecker! Da spring ich doch von diesen engen Landstraßen lieber mal auf den Randstreifen. Das Teilstück von Hörne bis nach Freiburg ist ungefähr 14 Kilometer lang. Danach geht es dann weiter nach Glückstadt.
Im Landkreis Stade obstelt es
Die Strecke ist recht langweilig, aber auch sehr schön. Besonders wenn noch Bodennebel aufsteigt. Ich laufe gegen die Sonne, kann nicht immer nach vorn schauen. Das Land wirkt herrlich unverstellt und bodenständig. Ich liebe das sehr! Das ist eine ganz tolle Landschaft, auch wenn es hier wohl viel Massentierhaltung gibt. Natürlich kann man weit sehen, aber auch hier gibt es ab und an Bäume, Knicks und natürlich Obstplantagen. Ich bin schließlich im Landkreis Stade, zu dem auch das berühmte Alte Land gehört. Hier obstelt es daher kräftig. Leider kann ich mir jetzt keine fünf Kilo Äpfel in den Rucksack tun. Die Versuchung ist aber nicht gänzlich zu verleugnen. Auch der Weißkohl hat mich angelächelt und an Lotte erinnert, die meinen letzten Weißkohl anfraß. Für alle, die Lotte nicht kennen: Lotte ist der French Bulli von meiner Tochter und ihrer Familie, der durchaus Appetit auf Ungewöhnliches hat.
Eine kleine Rast auf dem langen Weg nach Glückstadt
Ich habe jetzt nach drei Kilometern einen Schluck Kaffee getrunken und mir vor allem die Hände eingecremt. Handschuhe mag ich nicht anziehen, aber man merkt die kalte Luft doch an den Händen. Mein Learning des Tag habe ich früh gemacht, man kann auch mal einen Parallelweg gehen und muss kein schlechtes Gewissen haben, wenn man den Plan nicht hundertprozentig einhält, die Strecke ist im Wesentlichen die gleiche. Die andere Strecke wäre mit Sicherheit schöner gewesen, weil ich natürlich an dieser Hauptstraße entlanggehe, aber es gibt einen Fuß- und Radweg, der das Vor-sich-hin-Trippeln sehr entspannt macht. Und jetzt geht’s auch gleich weiter …
Vom Stricken und von Schafen
Auf dem Weg nach Krummendeich habe ich noch auf dem grünen Deich eine kleine Bank entdeckt und ein Strickpäuschen mit einem Brötchen und ein bisschen Kaffee eingelegt. Beim Stricken haben mich die Schafe beobachtet, was ja irgendwie ein bisschen makaber ist. Immerhin verstricke ich hier gerade ein Produkt ihrer Artgenossen. Wer weiß, wo diese Wolle herkommt?
Das Schiff fährt über die Wiese
Der Blick vom Deich ist fantastisch, ich kann bis zu entfernten Hafenanlagen sehen, vier orange und rote Kräne ragen auf, einige Windräder drehen sich, weiter hinten fährt gerade ein von hier aus riesig wirkendes Containerschiff ein. Ich versuche, es gleich mal zu fotografieren, aber fürs Bild ist es noch zu weit weg. Ansonsten davor grüne Wiesen und wie man es aus dem Fernsehen kennt, sieht es aus dieser Perspektive so aus, als würde das große weiße Schiff über die Wiesen fahren. Jetzt geht es gleich weiter nach Krummendeich. Ich glaube, es ist jetzt erstmal ein bisschen schattig hinterm Deich, aber ein Stückchen weiter könnte es wieder sonnig werden.
Schilderwirrwarr und Einsamkeit
Vor Krummendeich war es jetzt ein bisschen wild mit den Schildern. Während das eine Schild noch die fünf Kilometer nach Krummendeich anzeigt, gleich dahinter das nächste Schild für Radfahrer nur 2,7 Kilometer, bin ich ungefähr dreißig Meter weiter schon hinter dem Ortsschild von Krummendeich. Ganz spannend! Also, ich bin in Krummendeich, habe aber alternativ noch 2,7 bis 5 Kilometer bis dahin. Eine lustige Sache! Ansonsten fuhr hier gerade tatsächlich ein Auto längs. Wenn gerade kein Auto da ist, was meistens der Fall ist, höre ich entweder mein Handy mit der Ansage, dass es kein GPS-Signal hat, oder aber kreischende Möwen, muhende Kühe, alles mögliche Getier. Eben hätten beinahe vier Rehe meinen Weg gekreuzt, sie waren nur zirka zwanzig Meter von mir entfernt. Dann haben sie gemerkt, da kommt ein Mensch und haben sich vom Acker gemacht. Oder besser gesagt von der Straße und sind am Acker davon gesprungen. Ansonsten ist es hier wirklich sehr ruhig. Und Maulwürfe scheint es hier jede Menge zu geben.
Eine wunderbare und inspirierende Begegnung
Mein Weg ging dann immer weiter am Deich entlang, aber unterwegs hatte schon die einzige Gaststätte geschlossen, auf die ich gehofft hatte, erstens wegen Montag und zweitens wegen November und drittens weil wohl eh keiner vorbeikommt. Blöd nur, dass es damit auch keine Toilette gab. Als ich mal wieder dachte, jetzt kommen bald gar keine Häuser mehr, kam mir eine nett aussehende Frau mit einem lustigen Hund entgegen, der mich freudig begrüßte. Das war Anuschka, wie sich später herausstellte. Die Frau habe ich dann gefragt, ob jetzt noch etwas Gastronomisches am Weg liegt und ihr erzählt, dass ich extra deswegen diesen Weg genommen hab. Ach, sagt sie, dann nimmt sie mich mit, ich darf ihre Toilette benutzen. Und obendrein macht sie mir Spiegeleier. Und das war tatsächlich so! Total nett. Wir standen dann vor ihrer Tür, sie drückt mir den Haustürschlüssel in die Hand und sagt „zweite Tür rechts“. Denn Anuschka ist nicht ihr Hund, sondern der Nachbarshund ist und musste noch bei seinen Leuten abgegeben werden. Ich wollte erst auf sie warten, doch die Toilette war dann doch zu verlockend und ich bin schon vorgegangen, habe meine Schuhe vor die Tür gestellt und die zweite Tür rechts genommen.
Spiegeleier bei Viola
Viola, so heißt meine Gastgeberin, hat dieses Haus ganz zauberhaft selber renoviert. Es ist wirklich wunderhübsch. Im ersten Stock gibt es noch Potenzial, die Zeit wird zeigen, ob dort noch eine Ferienwohnung entsteht. Das Erdgeschoss ist zauberhaft, ganz liebevoll, hell und freundlich, der Garten hinter dem Haus ist ein Traum. Ganz großartig. Und Viola und ihre Familie kommen überhaupt nicht von hier, sondern aus Frankfurt. Sie ziehen hierher, um diese herrliche Landschaft in ihrem Ruhestand zu genießen. Ach, das war jetzt ein sehr, sehr schönes Spiegeleieressen mit Kaffee. Wir haben uns bestens verstanden und ganz viel ausgetauscht in der kurzen Zeit. Aber ich musste natürlich bald wieder los. Zwei süße Katzen hat Viola auch, zwei ganz zauberhafte Puschel. Ja, es war wirklich sehr schön und inspirierend und danach wurde mein Weg gleich wieder flotter. Zum Schluss sagte Viola dann noch zu mir, sie hat noch nie jemanden von der Straße eingesammelt. Ich sagte, ich bin auch noch nie irgendwo eingesammelt worden, um Spiegeleier zu genießen. Vielleicht die besten Spiegeleier meines Lebens! Es war großartig. Man muss wohl öfter mal etwas Neues wagen! Vielen Dank, liebe Viola, das war bestimmt nicht unser letzter Plausch!
Ein Vorbild
Ein gutes Stück weiter, in Hammelwörden, gab es dann tatsächlich eine super Toilette. Ein großes Schild „WC“ weist Wanderern den Weg zu einer Toilette im hinteren Teil des Gemeindehauses. Vielen Dank, liebe Hammelwördener, für diese gastliche Einladung, das ist eine ganz tolle Geste von der Gemeinde. Dankeschön!
Die Fähre von Wischhafen nach Glückstadt
Von Hammelwörden geht´s dann, da kann man so ein bisschen abkürzen, Richtung Elbfähre Wischhafen – Glückstadt. Die wollte ich nehmen. Unterwegs habe ich mich dann nochmal bei einem rollerbladenden Kind versichert, dass dies der richtige Weg ist. Es ging vorbei an kräftig am Straßengraben arbeitenden Feuerwehrleuten. Bis zu den Bäume sollte ich laufen, dann käme eine große Straße, da müsste ich links rum. Genau so war das dann auch. Aus der Ferne sah man schon ein Bauwerk aus Beton aufblitzen, der zumindest in der Nähe der Fähre sein musste, und als ich schon ziemlich nahe dran war an der Fähre, kamen die ersten LKWs herunter gerollt. Ich weiß nicht, wie viele auf die Fähre passen, aber es hat dann noch den ganzen Weg über gedauert, dass mir LKWs entgegen kamen. Als ich ankam, standen ein Fahrgast und ein Mitarbeiter an der Fähre. Der Mitarbeiter schickte den Fahrgast auf die Fähre und da habe ich mich gleich angeschlossen. Ich sagte, ich gehe schnell mit an Bord. Jo, jo, sagte der Mitarbeiter. Während die Fußgänger an Bord gehen, müssen die Autos warten. Erst wenn die Fußgänger einsortiert sind, kommen die Autos. Find ich klasse!
Zwanzig Minuten Überfahrt nach Glückstadt
Unter Deck konnte ich in der ziemlich ausgestorben wirkenden Cafeteria mein Handy aufladen. Ein Glück! Auf der anderen Seite warteten noch viele LKWs darauf, ans andere Ufer zu kommen. Der Fähranleger macht einen großen Halbbogen, da stand alles voller LKWs, ich kann mir nicht vorstellen, dass die noch auf dieser Fähre mitgekommen sind. Aber ich glaube, die Fähre setzt bis 23 Uhr über. Trotzdem werden ganz hübsche Wartezeiten zusammenkommen. Denn eine Fahrt dauert zwanzig Minuten. Wenn nur eine Fähre unterwegs ist, müssen die Fahrer mindestens vierzig Minuten auf die nächste Fähre warten und müssen hoffen, dass sie mit an Bord können.
In der Dämmerung mit müden Füßen
Die Schlange der wartenden LKWs nahm bestimmt noch den halben Anleger ein. Als ich den Anleger verließ, ging´s auf einem unbeleuchteten Weg rechts herum um einen innerstädtischen See. Das war schon ziemlich dunkel. Ich bin ja wirklich kein ängstlicher Mensch, hätte ich mir aber schon eine Laterne gewünscht, um zu sehen, wo ich hintrete. Dann ging es immer am Kanal längs, bis zum Marktplatz. Die erste Brücke war gesperrt, also bin ich über die zweite Brücke auf die andere Seite des Fleets gegangen. Dann war es zum Glück auch nicht mehr weit zum Hotel Stilbruch, denn meine Füße waren völlig am Ende, obwohl es mir insgesamt recht gut ging. Dann habe ich auch schnell mein Hotel gefunden, es ist eigentlich ganz nett vom Interieur her und ansonsten, na ja, egal …
Und morgen?
Morgen geht´s dann weiter. Heute Abend gab´s ein Schnitzel und vorher eine Krabbencremesuppe. Ich bin ein wenig müde, habe noch heiß geduscht, meine Haare gewaschen, springe dann morgen in die Klamotten und gehe so früh wie möglich los nach Elmshorn. Ja, so ist der Plan.
Ich freue mich weiterhin über die guten Gedanken, die liebe Menschen mir schicken und natürlich auch über Kommentare und Anregungen hier auf der Seite. Tschüss, bis morgen.