Tag 15 der Elbwanderung
Quitzöbel habe ich heute nach einem ausgiebigen und sehr liebevoll zubereiteten Frühstück mit Proviant im Gepäck und einermit Kaffee gefüllten Thermoskanne Richtung Iden verlassen. Dabei wäre ich fast falsch gelaufen, denn mein Pfad sah eher nach einer Wiese aus. Er wurde aber bald zu einem wunderschönen Weg. Rechter Hand ein Gewässer, ich weiß nicht, welcher Seitenarm von welchem Fluss das war, aber es war wunderschön. Teilweise war der Weg sehr sandig, es war fast schon Dünensand, und dann hatte man rechts das Gewässer und links alten Kiefernwald. Die Luft war herrlich, alles wirkte so früh am Morgen noch völlig unberührt. Aus dem Reif wurde gerade Tau, es glitzerte überall und duftete frisch. Nein, viel besser als frisch, frisch und rein und ganz klar. Manchmal hat man im Wald diesen tiefen Waldduft, der sich in den letzten Tagen oft mit dem Duft nach Pilzen vermengte, oder nach totem Holz. Das ist auch sehr reizvoll, aber hier war einfach nur unberührte Frische.
Seerosenteich und drei Wehre
Ich kam an einem Teich auf der linken Seite vorbei, der großflächig mit Seerosenblättern bedeckt war. Von dort aus kam ich auf den Deich, der am Fluss entlangführt. Es muss die Havel gewesen sein oder ein Seitenarm. Zumindest theoretisch führte der Weg über drei Wehre, von denen ich allerdings nur zwei wahrgenommen habe. Ich weiß nicht, woran das lag, vielleicht bin ich sogar über das dritte Wehr gelaufen und habe es nicht bemerkt? Das zweite Wehr war eine große Baustelle. Ich bekam erst einen Schreck, weil ich vermutete, dass ich dort nicht über den Fluss könne. Doch es gab einen Seitenweg, der sogar für Autos befahrbar war und sicher über den Fluss führte. Ein Glück, sonst hätte ich ein Problem gehabt. Ich sah schon alle möglichen Szenarien vor meinem inneren Auge. Aber ich glaube, man nimmt hier doch auch ein bisschen auf die Belange der radelnden und sonstwie fahrenden Menschen Rücksicht und da kann man flugs als Fußgänger mit durchschlüpfen.
Zurück an der Elbe
Später ging es über große Strecken auf dem Elbdeich entlang. Meine Elbe hatte mich wieder! Über weite Strecken ging es einfach geradeaus und stetig voran in Richtung Iden. Der Blick ging sehr weit! Es war heute nicht neblig, viele große Weideflächen mit Mastvieh, wunderschönes sattes Grün auch jetzt im Herbst, die Farben ganz intensiv. Die Sonne hat sich teilweise durch eine leichte Wolkendecke kämpfen müssen. Die Landschaft war traumhaft und der Blick ganz weit.
Eine eigenartige Wahrnehmung
Zwischendurch kam ich an einem kleinen Ort vorbei, es gab nur zwei Handvoll Häuser. Das erste Haus war ein Ganzdachhaus, es hatte schon bessere Zeiten hinter sich, sah aber sehr nett aus. Einfach authentisch, na ja was auch immer das heißen mag. Ja, wie sah es aus? Da lebten einfach Menschen. Man hatte einen positiven, lebendigen Eindruck von dem Haus, obwohl es ein wenig renovierungsbedürftig war. Das letzte Haus war mit Wein bewachsen. Dort saß hinter einer großen Fensterscheibe ein Mann an einem Tisch und las. Als ich vorbeiging, grüßte ich kurz. Ich weiß nicht, ob er das wahrgenommen und zurück gegrüßt hat. Aber er regte sich und blickt auf. Es geht uns ja allen so, dass wir merken, wenn wir beobachtet werden. Wahrscheinlich hat er meine Blicke gespürt und deswegen aufgeschaut. Eine eigenartige Angelegenheit, dieses Merken, wenn man angesehen wird.
Schlafplätze für Radler und Wanderer?
Es ging weiter am Damm entlang Richtung Iden. Unterwegs stand an einer Weggabelung eine Ganzdachhütte am Deich, den ich hier nach links verlassen musste. In der Hütte habe ich meine erste kurze Pause gemacht und aß gerade ein Brötchen, als ich merkte, wie es über mir summte und brummte. Tatsächlich, da schienen Wespen ihre Nester zu bauen. Leider konnte ich es nicht so gut fotografieren, weil ich zu klein war und die Hütte doch recht hoch. Mir fiel auf, dass die Bänke dort jeweils vier Latten hatten und recht breit waren. Da kann sich getrost jemand mit seinem Schlafsack hinlegen. Keine schlechte Idee für Radler oder Wanderer. Wenn es nur genug von diesen Hütten geben würde im Norden. Und wenn es immer warm genug wäre.
Beschwipste Früchte …
Jetzt ging es über landwirtschaftliche Wege. Ich bin also vom Damm links runter, dann wieder rechts. Das war ein Weg, der zweispurig mit Betonplatten, also mit zwei Radspuren für landwirtschaftliche Fahrzeuge, gepflastert war. Dort roch es ziemlich stark nach Alkohol, weil die Bäume links und rechts des Weges lauter kleine Äpfelchen abwarfen, die dort in Massen lagen und in der Gärung begriffen waren. Man hat es eindeutig gerochen. Ich musste gleich an die Filme denken, in denen Tiere in der Wildnis alkoholisiert sind, weil sie vergorene Früchte essen. Ja, was für Gedanken man unterwegs so hat. Ich habe hier keine betrunkenen Tiere gesehen, aber vermutlich einen Fasan aufgescheucht, bevor ich ihn auf die Schnelle richtig entdecken konnte. In diesen Knicks wimmelt es von allerlei Getier.
Weite Felder in Richtung Iden
Dann ging es weiter auf landwirtschaftlichen Wegen, plötzlich stand neben mir eine große Herde von Jungtieren, Rindviechern, schwarz und sattbraun, wirklich sehr schöne Tiere, hübsch anzusehen, die mich alle anstarrten. Aber zum Glück sind sie friedfertig und außerdem ist ein Zaun zwischen uns, was mich doch sehr beruhigt. Ich habe mich noch ein bisschen durch die Landschaft geschlängelt, mich über die Weite gefreut, die mich umgibt, denn weite Felder, das ist der Begriff, der die Landschaft am besten beschreibt. Es ist einfach eine enorme Weite. Und selbst, wenn am Horizont ein Knick die Sicht beschränkt, dann ist das doch so weit, dass man in der Natur so richtig aufgehen kann.
Noch ein Päuschen vor Havelberg
Nun habe ich noch so eine Hütte entdeckt, wie die vorherige. Und ich habe ja gelernt, jede Bank zu nutzen, das bekommt den Füssen gut. Also habe ich mich hier noch einmal hingesetzt und kurz die Füße ausgeruht. Gleich geht es weiter auf meiner Strecke nach Iden und ich habe entschieden, dass ich meine Tour ein bisschen variiere. Ich habe die Chance ein bisschen dichter an die Elbe ran zu gehen, das ist eine kleine Abkürzung. Dafür verlängere ich die Strecke an anderer Stelle und gehe in den Ort Havelberg. Ich bin dann so um die Mittagszeit in Havelberg und vielleicht bekomme ich dort etwas zu essen. Mir könnte jetzt ein Eisbecher wirklich gut gefallen. Ich werde sehen. Ich schaue mir ein bisschen den Ort an, ruh mich aus und dann wird es weitergehen. Ich glaube, es sind noch gut drei Kilometer bis dorthin.
Begegnung zwischen Havel und Elbe
Von meinem letzten Rastplatz aus, von dem aus ich über die Havel einen kleinen Ort sehen konnte, beziehungsweise die Kirchturmspitze dieses Ortes und ein paar Häuser, bin ich wieder Richtung Elbe gegangen. Das ist eine herrliche Strecke zwischen der Havel auf der linken Seite und der Elbe auf der rechten Seite. Mein nächstes Ziel war der Stichkanal, der Havel und Elbe miteinander verbindet. Über ein kleines Schiffshebewerk kann man den Kanal passieren. Und auf diesem Hebewerk traf ich Horst Görtler. Ich wusste noch nicht, dass er so hieß, aber wir hatten einen netten Plausch. Er ist dreiundachtzig Jahre alt und fährt mit dem Fahrrad mal eben so nach Quitzöbel. Das sind zwanzig Kilometer. Nicht schlecht! Er machte einen sehr fitten Eindruck, war sehr nett und etwas irritiert am Anfang, weil ich alleine wandere. Er ist dann in die andere Richtung gefahren, denn ich kam ja aus Quitzöbel und ich bin Richtung Havelberg gegangen, wo er wohnt. Und kurz bevor ich hier die Brücke erreichte, die auf die Insel von Havelberg führt, auf der der Dom steht, holt er mich doch wieder ein mit seinem Fahrrad. Er hatte seine Radtour beendet, war nun auf dem Weg nach Hause und holte mich gerade vor dem Haus der Flüsse ein, das er mir sehr empfahl.
Im Haus der Flüsse
Ich hatte vorher schon vom Haus der Flüsse gelesen, das über die Naturlandschaft und die Flora und Fauna in vielen schönen Mitmachstationen informiert. Ganz schön gemacht soll die Ausstellung sein. Auf Anraten von Horst Görtler bin ich hinein gegangen. Ehrlich gesagt, hätte ich ohne ihn gar nicht gemerkt, dass ich am Haus der Flüsse vorbeigehe. Wir haben noch ein bisschen geplauscht und dann habe ich mir die Stationen innen und in der Außenanlage angeschaut. Es ist nämlich eine sehr schöne Gartenanlage dabei, die das Ganze abrundet. Drinnen war man so freundlich, mir einige Prospekte über regionale Naturthemen mit der Post zu schicken, die mich aber sehr interessierten, aber das Gewicht meines Rucksacks zu sehr erhöht hätten.
Bratkartoffeln in Havelberg
Dann ging es über die Brücke auf die Havelberger Insel. Ich habe mir den Dom zumindest von außen angeschaut – die Tür war geschlossen – und mich über die schöne Altstadt gefreut. In einem Cafe gab es eine ordentliche Portion Bratkartoffeln für mich, nach mehr stand mir nicht der Sinn. Dann bin ich weiter getrottet, wieder zurück über die Insel in Richtung Sandau und Iden, wo ich die Fähre genommen hab, die just in dem Moment anlegte, als ich kam. Was allerdings nicht schwierig ist, da sie in kurzen Abständen immer hin und her fährt. Da passen ein paar Autos drauf, die Passagiere scheinen sich teilweise zu kennen, man unterhält sich nett miteinander und zack, schon ist man auf der anderen Seite. In meinem Fall dann auf der Westseite, also am westlichen Ufer der Elbe.
Angekommen in Iden
Von dort bin ich dann zu dem Gutshof am Rand von Iden gelaufen, wo ich heute übernachte. Das waren wohl keine zwei Kilometer mehr. Ich habe dann noch eine Weile auf der Terrasse im Garten gesessen, ein bisschen mit einer Kundin telefoniert, später zu Abend gegessen, noch ein bisschen gearbeitet und jetzt ist der Tag zu Ende. Ich freu mich auf die morgige Tour, die mich von Iden nach Stendal bringt. Das werden wohl so sechsundzwanzig Kilometer werden, vielleicht auch ein bisschen mehr.
Wie immer freue ich mich über Kommentare und über Tipps per E-Mail.