Tag 9 der Elbwanderung
Der erste Wandertag führt mich von Schnakenbek nach Bleckede. Er beginnt mit einem Blick aus dem Fenster, der viel Wasser von oben verheißt. Macht aber nichts. Ich mache mich fertig und dann lässt es auch schon ein bisschen nach mit dem Regen, sodass ich mir denke, jetzt schnell los. Pedro ist so freundlich, mir einen Kaffee anzubieten, den schlage ich aber dankend aus und mache mich auf die Socken, weil ich die Regenpause nutzen möchte. Na ja, aber wie soll es anders sein, kaum bin ich draußen, wird der Regen wieder stärker. Ich warte dann doch nicht bis Lauenburg, sondern entscheide mich noch im Wald, meinen Rucksack und mich selbst regenfest zu machen. So gehe ich dann nach Lauenburg weiter, wo ich mir einen Kaffee erhoffe.
Von Lauenburg nach Niedersachsen
Lauenburg ist bestimmt sehr hübsch, nur leider sind an diesem Tag alle Türen verschlossen, hinter denen ich einen Kaffee vermute. Und dafür bin ich extra durch den Ort gegangen, ich hätte ja auch an der Elbe bleiben können. Aber nun ist es zu spät. Na ja, was soll’s. Der Ort ist vielleicht an anderen Tagen mit Sonne und geöffneten Cafés noch hübscher. Ich bin dann direkt über die Brücke gegangen, weil ich ja auf die andere Elbseite möchte: Ich wechsle heute nach Niedersachsen. Das erste Stück der Brücke, der Teil mit den Bögen, war überschaubar, das restliche Stück der Brücke ist länger, wirkt irgendwie kastig und der Fußweg an der Seite wurde im Nachhinein abgedeckt. Ich weiß nicht, womit. Vielleicht sind es Pressholzplatten? Die Platten scheinen ziemlich fest verlegt, aber am Rand sieht man den Rost und die Löcher in dem Metall. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was unter diesen Holzplatten verborgen ist. Und das mir, wo ich wirklich ernsthaft Höhenangst habe. Ich habe nicht zur Seite, ich habe nur geradeaus geguckt, habe versucht diesen Boden und das verrostete Eisen zu ignorieren und bin wirklich tapfer rüber. Man hätte sich auch, besonders bei Sommerwetter, umdrehen und Lauenburg sehr hübsch fotografieren können. Aber ich habe mich unterstanden, auch nur eine Sekunde stehenzubleiben. Ich habe mich nicht umgedreht, ich bin straight weiter und dann haben mich auch noch die drei freundlichen Radlerinnen überholt, mit denen ich in Lauenburg geplauscht hatte. Deren Hotel hatte übrigens auch nur für Hausgäste geöffnet. Die drei Damen fahren heute nach Hitzacker, wohin ich morgen wandere. Sie fahren einfach unter dem Regen durch, wie man das halt so macht im Norden. Und das Meiste geht ja vorbei, wie es so schön heißt.
Kleine Rast nach dem ersten Viertel
Inzwischen hat der Regen auch aufgehört. Ich sitze hier in Hohnstorf in einer Sportanlage, hinter mir gibt es Bouleplätze, vor mir arbeitet ein Bagger vermutlich daran, diesen Sportplatz noch sommertauglicher zu machen. Ein Stückchen weiter sehe ich den Deich, die Vögel zwitschern, es ist viel Grün um mich herum und der Regen hat nachgelassen. Ich glaube, ich werde mein Regencape jetzt nicht wieder überziehen. Zum Glück habe ich meine Thermoskanne bei Pedro mit Wasser gefüllt, frisches, kaltes, klares Wasser habe ich jetzt und zwei Äpfel habe ich auch noch. Also, es wird ein wunderschöner Tag, ein Viertel des Weges habe ich schon geschafft – und das um diese Uhrzeit! Es ist 10:38 Uhr. Unglaublich! So, jetzt geht’s weiter.
Auf dem Deich Richtung Bleckede
Von Hohnstorf aus bin ich jetzt immer am Deich entlang, teilweise auch oben auf dem Deich, ein ganzes Stück vorwärtsgekommen. Ich hab Stück für Stück alles ausgezogen, was ausziehbar war. Als erstes fielen die Regenklamotten, dann kam die Jacke dran, dann der Pulli. Jetzt habe ich nur noch ein T-Shirt an, das heißt, ich kann nichts mehr ausziehen. Aber man merkt schon, dass die Wärme kommt und morgen soll es 27 Grad warm werden. Das wird bestimmt ganz schön heftig, ich muss zusehen, dass ich früh aufstehe und loskomme. Und dann vielleicht über Mittag irgendwo eine nette Pause mache.
Noch wenige Radler auf dem Elberadweg
Hier hat es leider mit der Pause immer noch nicht geklappt. Immerhin habe ich meine Äpfel dabei und Wasser, aber einen Kaffee gab es nicht und ich glaube auch, jetzt bis nach Bleckede, auf den letzten zwölf Kilometern sind die Chancen gering. Möglicherweise kann ich Bleckede schon sehen, ich bin mir nicht sicher, vielleicht sehe ich auch einen Ort auf der anderen Elbseite. Ich schau mir das gleich mal auf der Karte an. Ab und an begegnen mir auf dem Elberadweg tatsächlich jetzt auch Radfahrer. Allein, zu Zweit, zu Dritt, viele sind es nicht, aber es ist ja auch noch nicht richtig Sommer, das werden bestimmt noch mehr Radler mit der Zeit.
Ob die Bank wohl kippt?
Die Landschaft ist toll. Flussauen, soweit das Auge reicht. Weiter entfernt sind Wälder, das muss auf der anderen Elbseite sein, weil hier gleich der Fluss kommt, den ich jetzt aber nicht sehen kann. Ich entdecke nur Ausläufer, aber das kann ein Brackwasser neben der Elbe sein. Die Bank, auf der ich sitze, steht auf einem Deich. Ich hab das Gefühl, dass sie nach hinten kippen möchte, ich hab zum Test schon ein bisschen geschaukelt und sie steht glücklicherweise nach wie vor. Zur Sicherheit habe ich meinen Rucksack nicht an die Lehne gelehnt, der liegt auf der Sitzfläche und darf das Ganze noch ein bisschen stabilisieren. Aber es wird sicherlich gutgehen und sie wird nicht umkippen.
Gut gelaunte und freundliche Grüße
Da waren gerade zwei Radlerinnen unterwegs mit einem Hündchen im Anhänger. Wie nett! Man grüßt sich auch immer freundlich am Deich! Das letzte Stück der Wanderung, mit der ich es am Ende auf 28,88 Kilometer bringe, verläuft am Deich entlang. Wunderschön die Landschaft, sehr weit der Himmel, das Wetter allerdings gemischt. Nachdem ich mir schichtenweise alles ausgezogen hatte, habe ich es mir dann schichtenweise in umgekehrter Reihenfolge wieder angezogen – und das dann auch ganz schnell. Denn kaum war ich an dem Aussichtspunkt an der Mündung des Radegaster Hakens in die Elbe, kam noch mal ein ordentlicher Regenguss. Aber das war es dann auch mit dem Regen für diesen Tag.
Wandern durch weite Felder
Ich bin durch weite Elbtalauen gewandert – durch weite Felder eben – verschiedene Nebengewässer waren zu sehen, viele, viele Vögel zu hören, eine ganze Wiese voller Enten, daneben Störche, Reiher habe ich auch aufgeschreckt, die Armen. Es ist eine enorme Vielzahl unterschiedlicher Vögel, die alle durcheinander sangen, zirpten, kreischten – es war viel geboten für die Ohren. Und auch fürs Auge. Eine riesige Bandbreite verschiedener Grüntöne, es blüht überall. Auf den Wiesen der Klee, Butterblumen, Margariten, Glockenblumen – ein wahres Fest – und auch die Büsche und Bäume sind traumhaft: Rhododendren, herrlich duftender Flieder, Schneebälle und traumhafte Kastanien. Die Blütenblätter fallen jetzt schon herunter und man schreitet durch weiße Wolken.
Weiter durchs Biosphärenreservat Elbtalaue
Es ging dann weiter durch das Biosphärenreservat Elbtalaue. Ich war ganz allein auf weiter Flur unterwegs, habe auch keine Radfahrer mehr getroffen. Irgendwann kam ein Auto vorbei, vermutlich war es auf dem Weg zu dem in dieser Landschaft ganz vereinzelt stehenden Gehöft. Daneben gab es auf einem großen Pfahl ein Storchennest samt Storch und ein Stückchen weiter lehnte an einem Baum eine Frau. Ich habe sie extra nicht fotografiert. Aber es war eigentümlich, dass mitten in der Landschaft diese Frau an dem Baum stand.
Infrastruktur für Radler
Das letzte Stück des Weges wurde dann schon arg. Das Problem war, dass ich seit morgens keinen Kaffee bekommen habe, keine Toilette fand, kein gastronomischer Betrieb hatte geöffnet. Nichts. Die Infrastruktur an einem Radweg ist halt auf Radfahrer ausgelegt und die haben einfach einen größeren Radius. Für Fußwanderer sind die Strecken dann doch recht weit. Ganz bewusst wollte ich wenig Proviant – ihr wisst ja: Wasser und Äpfel – mitnehmen, weil der Rucksack doch recht schwer ist. Spätestens ab dem zwanzigsten Kilometer spürt man ihn auf dem Rücken. Wobei ich mir dann immer sage, dass ich das Drei-bis Vierfache seines Gewichts abgenommen habe und mich einfach nicht so anstellen sollte. Na ja, morgen mache ich es wieder anders. An einem gastronomischen Betrieb, der sehr niedlich aussah, bin ich vorbeigekommen, der hatte dann am Mittwoch wieder geöffnet, nicht aber heute, am Dienstag. Aber auf diesen Betrieb wird schon aus einer Entfernung von zwölf Kilometern hingewiesen. Da kann man sich vorstellen, wie dünn die gastronomischen Angebote zwischen Lauenburg und Bleckede gesät sind. Morgen ist ja Mittwoch, da ist es entlang der nächsten Etappe hoffentlich besser.
Torte und Eis!
In Bleckede wurde ich dann in einem bezaubernden Café namens Zeittraum entschädigt. Es gab einen leckeren Schokokuchen mit Kirschen, obendrauf Schmand – also wirklich ein Kuchen oder besser eine Torte für die guten Tage im Leben. Und dazu habe ich mir noch eine Kugel Vanilleeis gegönnt. Nach diesem Tag brauchte ich das dann auch wirklich. Dazu gab es einen Cappuccino und eine Rharbarberschorle und dann ging es mir wieder besser. Meine Füße haben sich inzwischen auch erholt. Das Abendessen war denkbar ungesund. Das möchte keiner wissen, was ich da gegessen habe. Ich möchte es auch gleich wieder vergessen. Aber trotzdem – es waren Kalorien und die brauchte ich heute Abend dringend. Und die Quelle der Kalorien war nur 300 Meter von meiner Unterkunft entfernt. Das war ein Argument. Die bessere Wahl wäre wohl 800 Meter entfernt gewesen und das habe ich mir an diesem Abend wirklich verkneifen können.
Gute Nacht in Bleckede
Heute Abend habe ich noch ein wenig gearbeitet, gestrickt und Netflix geschaut. Im Gästehaus Christa habe ich es gut getroffen. Der Gastgeber Tobias ist sehr nett und aufmerksam, das hübsch renovierte Zimmer hat jede Menge Steckdosen, das Bad ist sehr schön und im Kühlschrank steht alkoholfreies Radler. Großartig! Das erste ging aufs Haus. Und morgen früh mache ich mir meinen geliebten löslichen Kaffee, Tobias hat mir schon gezeigt, wo der steht. Ich schaue noch mal nach dem Wetter, wenn immer noch 27 Grad angekündigt sind, werde ich zusehen, dass ich auch morgen wieder früh am Start bin.
Wer noch an meiner Seite ist an der Elbe, kann mir hier gern einen Kommentar hinterlassen oder mir eine E-Mail schreiben. Ich freue mich über jede einzelne Nachricht immer sehr.