Tag 14 der Elbwanderung
Die Nacht habe ich in Wittenberge in der Pension „Zum Holzwurm“ verbracht. Alles war sehr nett und aufgeräumt, ich bin um 8:15 Uhr aufgebrochen und habe Wittenberge zügig Richtung Quitzöbel verlassen. Erst ging es über eine malerisch neblige Brücke, anschließend auf dem Elbdeich weiter. Ich hätte überall stehen bleiben, filmen und fotografieren können. Es wirkt märchenhaft, wenn die Sonne den Nebel anlockt, der dann langsam vergeht. Ich gehe an morschen alten Bäumen vorbei, drei Rehe kreuzen meinen Weg, unterwegs dann stehen welche auf den weiten Wiesen.
Sonntags alles geschlossen
Auf dem Deich kam mir ein älterer Herr mit einer neun Monate alten, schon jetzt sehr großen Hündin entgegen, die mich zutraulich begrüßte und sich ein wenig knuddeln ließ. Er erzählte mir, dass sie nicht ins Wasser gehe, was in dieser Landschaft sicherlich von Vorteil ist. Nach einem netten Plausch ging es weiter, in der Hoffnung, dass unterwegs noch ein oder zwei gastronomische Betriebe geöffnet hätten. Einer hätte natürlich gereicht, ich hätte alles genommen, aber es hatte alles geschlossen. Das ist nicht so schön, denn nun kam eine lange Strecke ohne Verpflegung. Ich habe mir von einer freundlichen Dame im Ort die Wasserflasche auffüllen lassen. Das war eine gute Idee, denn ohne Essen ist kein Problem, vielleicht nicht angenehm, aber nicht problematisch, aber ohne Wasser sollte ich es nicht probieren.
Auf dem Deich nach Quitzöbel
Ich habe ich ein schönes Stück vor mir, auf dem ich wohl keinen Menschen sehen werde. Aber es geht auf dem Deich lang, was wunderschön ist. Ich habe jetzt erst mal ein bisschen Musik auf den Ohren und mache ein bisschen Strecke. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit ist heute mit 5,5 Kilometern recht gut. Ich fühle mich total fit und habe Lust auf ein bisschen schnelleres Gehen. Das ist ja nicht immer so. Allerdings muss ich andauernd stehen bleiben und fotografieren. Es hilft leider nichts, es ist zu schön hier. Und die Landschaft ist an diesem Morgen besonders sanft. Man hört die Vögel, die Wasservögel starten auf dem Wasser zum Flug. Es knackt und wispert im Gehölz. Gestern habe ich übrigens im Wald nicht nur ein Hufeisen entdeckt, aber liegen lassen, es wäre definitiv zu schwer gewesen. Auch eine tote Schlange lag dort und am Wegesrand gab es eine riesige fette Henne, allerdings hatte ich mein Telefon gerade im Rucksack zum Aufladen an der Powerbank und wollte es nicht extra herausholen.
Man kann leider nicht immer alles Schöne fotografieren, das tut mir oft in der Seele weh, ich möchte mir unbedingt alle Bilder merken, aber vieles ist leider dem schnellen Vergessen anheim gegeben. Was will man tun, man hat nur ein Gedächtnis und für so viele schöne Dinge reicht es einfach nicht. Aber die Fotos helfen und manches brennt sich auch einfach ein. Wie am Morgen der fantastische Blick über die Elbe. Als ich über die Brücke ging, das war einfach nur pures Glück, wunderschön. Dafür laufe ich hier. Und fürs Laufen natürlich.
Über Legde weiter nach Quitzöbel
Von Hinsdorf aus bin ich nach Legde gelaufen. Der Weg war sehr unterschiedlich, am Anfang habe ich ja gedacht, ich kann auf dem Deich gehen, aber zunächst lagen einige Bäume quer, die habe ich überwunden oder umrundet, je nachdem was sich anbot. Doch das war nicht das Problem. Das kam später, denn teilweise war der Weg auf dem Deich abgezäunt. Das war sehr schade. Erst kam eine Anlage des Landes Brandenburg, dann ein gewerblich wirkender Hof und schließlich einige Ferienhäuser.
Die Wittenberge-Rühstädter Elbniederung
Danach ging ich durch die Wittenberge-Rühstädter Elbniederung auf einem wirklich sehr idyllischen Pfad, entlang einen kleinen Gewässers, den ich erst gar nicht für einen Weg hielt, weswegen ich eine kleine Extrarunde gedreht habe. Was aber nicht schlimm war, weil es dort sehr schön war. Den nächsten Ort Bälow habe ich sozusagen durch die Hintertür erreicht, was idyllisch und recht hübsch wirkte. Dort war auch ein Fahrradcafe avisiert, aber ich hatte ja schon meine Befürchtungen und die bewahrheiteten sich leider. Zwar stand noch ein Geöffnet-Schild, man möge doch klingeln, wenn niemand da sei. Hab ich getan, aber die Tür blieb verschlossen. Den Menschen sei ihr Sonntag gegönnt. Es ist ja auch wahrlich nicht viel los hier.
Ein Stück auf Asphalt
Ich bin dann auf einer kleinen Asphaltstraße Richtung Quitzöbel weitergegangen. Ich habe kein Problem damit, auf Asphalt zu gehen, eigentlich mag ich das sogar ganz gerne. Aber schön ist es an größeren Straßen natürlich nicht, wenn immer wieder mit Autos zu rechnen ist. Ich hatte jetzt kaum ein autofreies Stück bis Legde. Es waren zum Glück nur wenig Autos unterwegs, aber man musste dauernd mit ihnen rechen und ab und zu mal einen Schritt zur Seite machen. Es war besser, auch die Ohren offen zu halten. Doch ohne Musik war die Strecke schon recht eintönig.
Vorfreude aufs Abendessen in Quitzöbel
Ich freue mich jetzt darüber, dass ich in meinem Quartier heute Abend schon fürs Abendessen angemeldet bin. Bei meiner telefonischen Buchung fragte mich die Wirtin schon danach, ob ich Abendessen möchte. Sie würden das anbieten, weil sie die Erfahrung habe, dass die Radler unterwegs nichts bekommen. Tja, auch die Fußgänger bekommen nichts. Radler und Fußgänger sind allesamt sehr froh, wenn sie am Abend gut bekocht werden. Es sind noch 4,6 Kilometer. Jetzt mache ich erst mal meine zweite Pause, ich habe fast 20 Kilometer hinter mir, stricke noch einen Moment, das ist immer gut für meine Arme, außerdem entspanne ich mich beim Stricken ungemein. Ein bisschen frisch ist es auch schon, ich werde nicht allzu lange hier sitzen bleiben. Und wer weiß, vielleicht habe ich ja Glück und bekomme irgendwo noch einen Kaffee. Schön wäre es, aber … Na gut, die Hoffnung stirbt zuletzt …
Begegnung in Lennewitz
Von Legde aus ging ich nach Lennewitz weiter. Lennewitz ist ein bezaubernder Ort. Mir fiel schon im Vorbeigehen ein Gehöft auf, dessen Fenster, wie mir schien, blau angestrichen waren. Ich habe inzwischen erfahren, dass es grüne Fenster sind. In der Mitte des Ortes ist eine Jugendstil-Kirche, die 1910 erbaut wurde. Ich bin an der Kirche vorbei gegangen, setzte mich auf eine Bank. Kaum saß ich, kam ein sehr aufgeschlossener, netter Mann vorbei, mit dem ich ins Gespräch kam. Das war Reinhard Jung. Er fragte, ob ich eine fröhliche Wanderin sei. Ja, grundsätzlich bin ich das schon, aber jetzt eher eine erschöpfte und schon kamen wir ins Gespräch.
Nur noch wenige Landwirte hier
Reinhard Jung erzählte mir von den Radtouren, die er mit seinen Kindern nach Wacken an der Westküste gemacht hat und ein bisschen von seiner Familie. Er ist hier fast der letzte Landwirt, der seinen Hof noch aktiv bearbeitet oder dessen Flächen noch nicht einem Großbetrieb zugeordnet wurden. Es gibt außer ihm nur noch einen älteren Herrn, der schon über achtzig Jahre alt und noch als Landwirt aktiv ist. Ihn haben wir später mit seinem Traktor auf einem Feld abeiten sehen.
Kirche von Innen
Aber zunächst hat Reinhard Jung mir die Kirche gezeigt, die wirklich wunderhübsch ist. Man kann das natürlich kritisch betrachten, denn um sie zu erbauen, wurde zunächst eine Fachwerkkirche abgerissen. Da Jung sowohl im Kirchenvorstand als auch im neu gegründeten Kirchenverein ist, kümmert er sich um die Kirche und hat mir das Innere zeigen können. Was mich sehr gefreut hat, denn bei einer der letzten Kirchen war es mir zugegebenerweise tatsächlich zu umständlich, mir im Pfarrhaus einen Schlüssel zu besorgen.
Ein schöner Vierseithof
Anschließend durfte ich mir noch seinen Hof ansehen und habe einiges über Rindermast erfahren. Es ist ein wunderschöner Hof, den Reinhard Jung mit seiner Familie in acht Jahren Arbeit restauriert hat und und auf dem er jetzt Rinder hält. Ganz am Ende seines Vierseithofs, beziehungsweise eher dahinter, hat er einen neuen Stall gebaut. Im Stall, es ist ein Offenstall, duftete es herrlich nach Heu. Vom Stall aus sah man die Rinder auf der Wiese. Rinder, deren Tage zwar gezählt sind, die aber ein gutes Leben hatten. Ein paar Wiesen weiter waren die Mutterkühe zu sehen – als bräunliche Flecken fast am Horizont. Ein wunderschönes Anwesen, auf dem ich in kürzester Zeit Interessantes erfahren habe. Landwirt Reinhard Jung ist übrigens ursprünglich Kunsthistoriker und arbeitete früher als Texter bei einer namhaften Agentur. Eine tolle Kombination, die viele Lebenswelten verknüpft. Ich finde es sehr bewundernswert, wenn jemand so agil ist und so viele Felder besetzt. Das war eine schöne Begegnung.
Gasthof Ramin in Quitzöbel
Nichtsdestotrotz habe ich mich bald wieder auf den Weg von Lennewitz zu meinem Quartier in Quitzöbel gemacht. Das Abendessen war sehr lecker! Ich habe bestens geschmaust. Schnitzel mit Bratkartoffeln, Spiegelei, Salat und Gürkchen. Wenn man gegessen hat, fühlt man sich schon munterer. Der Wasserhaushalt ist inzwischen auch wieder ausgeglichen, vor mir steht eine große Flasche Wasser, die ich trinken werde, damit ich keine Kopfschmerzen bekomme. Jetzt arbeite ich noch ein bisschen, der Laptop ist schon geöffnet, tatsächlich habe ich schon die Umsatzsteuererklärung raus geschickt und die Überweisung dafür fertig gemacht. Jetzt kommen noch zwei Kundenbelange auf den Bildschirm, mit denen ich mich noch befassen möchte. Dann werde ich vermutlich noch ein bisschen netflixen und stricken, vielleicht auch nochmal telefonieren, ich schau einfach, was der Abend nach der Arbeit noch so bringt.
Quitzöbel ist ein bezaubernder kleiner Ort
Quitzöbel ist übrigens ein bezaubernder Ort. Ich bin fast falsch gelaufen, weil ich die Straße „Am Brink“ gar nicht als Straße ansah, aber das Navi hat mich eines Besseren belehrt. Ich bin hindurch gegangen und es war ganz bezaubernd, wirklich noch ein Sandweg, der dann später zu einem Grasweg wurde und fast zielgerichtet auf den Gasthof Ramin zuführte. Gegenüber des Gasthofs ist eine große Grünfläche, die vermutlich im Sommer gut frequentiert ist. Insgesamt ist es hier sehr ruhig, man hört fast nichts und auch der Gasthof an sich ist ein Schmuckstück. Es ist ein Backsteingebäude mit hohen Fenstern und gelben Verzierungen. Also ein Glücksfall mal wieder auf meiner Reise.
Hat von euch schon jemand diese Gegend kennengelernt? Ich freue mich über eure Kommentare oder eine E-Mail.